Bild von Matthew Greger auf Pixabay
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Die Selektion in einer Spezies beginnt ab der ersten Sekunde ihrer Zeit, auch bei den Bienen sorgt diese dafür, dass die Bienen heute so sind, wie sie sind. Per Definition ist die Selektion die Auslese und Fortentwicklung durch Überleben der jeweils stärksten Individuen einer Art. Typische Beispiele der Selektion bei den Bienen ist der Hochzeitsflug. Nur die stärksten Drohnen können sich paaren und ihre Erbmaterialien weitergeben. Weitere Beispiele ist der Königinnenschlupf, nur die stärkste und fitteste schafft es alle ihrer Schwestern auszuschalten. Natürlich ist auch das bloße Überleben und Sterben eines gesamten Volkes Selektion, nur die besten überleben und können sich fortpflanzen. Nur so konnte eine so außerordentlich widerstandsfähige, intelligente und soziale Biene entstehen.


Maßnahmen:
In den meisten Imkereien liegt die Selektion heute in Menschen Hand, wir greifen bewusst ein um gewünschte Merkmale zu verstärken und ungewollte abzuschwächen. Im Mittelpunkt steht häufig die Honigleistung aber auch die Gesundheit. Aggressivität, geringe Volksgrößen, starkes Propolisieren und Schwarmfreudigkeit versucht man dagegen zu minimieren.
Aggressivität stört die Imkerin oder den Imker bei den regelmäßigen Durchsichten, nur große Völker bringe reichliche Mengen Honig, auch Propolisieren stört bei den Völkerkontrollen und bei einer hohen Schwarmfreudigkeit besteht die Gefahr, das dieser nicht rechtzeitig gefunden wird und sich damit in frei Wildbahn begibt. Die Folgen eines Schwarmes sind außerdem geringe Honigerträge.

Das gezielte Vermehren oder Abkehren von Völkern ist ein Teil der Zucht in ImkerInnenkreisen. Nur die Völker, die die gewünschten Merkmale aufweisen können weiterleben. Das Abkehren geschieht meist im Herbst, kurz vor der Einwinterung. Alle Bienen werden von den Waben gekehrt, die Arbeiterinnen finden in anderen Völkern meist Zuflucht. Die Königin ist für die Imkerin oder dem Imker nutzlos und wird beseitigt.
Wenn man nicht das komplette Volk verlieren möchte greifen ImkerInnen meist zum Umweiseln, bei dem die alte Königin getötet und eine neue dem Volk gegeben wird. Die Bienen akzeptieren diese, weil der Imker jegliche Möglichkeit für ein interne Königin genommen hat.
Eine weitere Form der Selektion ist das gezielte Begatten der jungen Weiseln (Königinnen). Dies geschieht entweder auf Belegstellen oder durch künstliche Begattung, bei der diese betäubt wird und den Sperma über eine Spritze eingeflösst bekommt. Auf Belegstellen hingegen findet eine gewöhnliche Paarung weitgehend statt. Kleine Völker mit den jungfräulichen Königinnen werden zu Völkern, in denen sich ein großer Anteil an Drohnen in der gewünschten Rasse befindet, gestellt. Die Königinnen können sich nur mit diesen paaren und bekommen somit die gewünschten Erbinformationen geliefert.​​​​​​​
Bild von xiSerge auf Pixabay
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Folgen:
Da all diese Selektionsmaßnahmen durch Menschen gesteuert werden, ist die natürliche in gewissen Teilen gestoppt. Völker überleben bei Imkerinnen und Imkern, welche in der Natur sich nie hätten etablieren können. Da die meisten Imker besonderen Wert auf Honigleistung und Schwarmträgheit legen, wird unsere widerstandsfähige, gesunde und evolutionär angepasste Biene verändert. Oft aber legen die ImkerInnen genauso großen Wert auf die Gesundheit, trotzdem widersprechen sich diese oft im eigenen Handeln. 
Obwohl Propolis eine antibakterielle Wirkung hat, sozusagen das Desinfektionsmittel der Bienen ist, versuchen Imkerinnen und Imker das Propolisieren der Bienen zu minimieren. Häufig stört es nämlich bei den regelmäßigen Völkerkontrollen. Auch das Schwärmen, einer der natürlichsten Triebe der Völker soll eliminiert werden. Schwärme könnten verloren gehen, auch könnte die Brutunterbrechung und der Abgang eines großen Teiles an Arbeiterinnen einen negativen Einfluss auf die Honigernte haben. Der positive Einfluss des Schwärmers auf die Varroasituation wird häufig ignoriert, die Sommerbehandlung kann so oft vermieden werden (siehe 4. Varroamanagement ). Auch die enorme Größe der Völker ist unnatürlich und hat einen negativen Einfluss auf die Varroamenge. Große Völker haben große Mengen Brut, mehr Platz für die Vermehrung der Varroa. Am Ende der Saison, wenn die Völker schrumpfen, sind dann überproportional viele Milben vorhanden, verglichen zu kleineren Völkern. Sogar eine gewisses Maß an Aggressivität ist nützlich. Wächterbienen müssen ihren Stock verteidigen, von allen Seiten drohen Gefahren. Egal ob Wespen, Hornissen oder Bienen andere Stöcke, alle werden gefährlich, wenn sich das Volk nicht erfolgreich wehrt. 
Durch die menschliche Selektion sind Bienenrassen entstanden, welche es zuvor nicht gab. Fremde Rassen wurden schon oft als leistungsfähiger oder sanftmütiger gepriesen, sie verdrängten durch Importe Stück für Stück die einheimischen Völker. Jedes Land, jede Region, jeder Ort besitz eine etwas andere Natur. Bienen, die dort heimisch sind haben sich auf diese Gegebenheiten angepasst. Eine fremde Biene mag vielleicht mehr Honig liefern und sanftmütig sein. So angepasst, wie die einheimische, wird sie kaum sein. Nich gekannte Probleme treten dann auf. Ein gutes Beispiel ist dafür die dunkle Biene, welche hier in Deutschland heimisch war, durch die Verdrängung mit der Carnica ist fast nirgends mehr in reiner Form anzutreffen. Bei der ägyptischen Biene ist es ähnlich sie wurde verdrängt von der westlichen, da diese mehr Honig gibt und sanftmütiger ist. Die ägyptische aber ist varroatollerant und kann mit der dortigen Natur perfekt umgehen. Nur durch aufwendige Erhaltungsprojekte kann sie vom Aussterben gerettet werden. Die westliche Biene hatte sie fast vollständig verdrängt.

Wir haben es geschafft in den letzten Jahrzehnten unsere Bienen stark zu verändern, in wie fern sinnvoll das ist, ist aus Sicht der Bienen und der Natur einfach zu sagen. Wir bringen unsere Bienen in eine gefährliche Situation. Die Bienen haben es in Jahrmillionen geschafft sich auf die Natur anzupassen. Wir zerstören ein Erfolgsrezept, weil wir unsere Bedürfnisse als wichtiger erachten. Aggressivität und Schwarmfreudigkeit gehört zu unseren Bienen. Nicht um sonst hat genau das sich nach Jahrmillionen entwickelt.
Egal wie nahe wir uns den Bienen fühlen, wir bleiben Zuschauer. Wir werden sie nie komplett entschlüßeln können, sie bleiben uns fern, wir dürfen nicht in ihren wichtigsten Motor eingreifen, die Selektion, die Evolution. Bienen sind widerstandsfähige, vitale Überlebenskünstler, genau das müssen sie bleiben.
Brennpunktthema: Varroatoleranzzucht
Bedächtig wird die Zelle einer Bienenpuppe geöffnet. Mit einem Pinsel wird eine Varroamilbe in die Zelle gegeben und sie wird anschließend wieder geschlossen. Alles wird genau dokumentiert und später die Varroatoleranz überprüft. Trotz größter Anstrengungen etlicher ehrenamtlicher Helfer wurden zwar in den letzten Jahren durchaus Fortschritte gemacht, der Durchbruch bleibt aber aus. 

Was der Mensch in aufwendiger Kleinarbeit versucht, schafft die Natur in bereits wenigen Jahren Selektion. Thomas D. Seeley machte hier im Arnot Forest interessante Beobachtung und stellte fest. Die Anzahl der Völker blieb trotz der Einschleppung der Varroamilbe stabil, genetisch fand jedoch eine große Veränderung statt. 

Er vermutete, dass die Varroamilbe zu einem großen Sterben innerhalb der Population geführt hat, die restlich verblieben, varroatolernaten Völker die Verluste aber wieder ausglichen. Dies können wir verteilt auf der ganzen Welt zu Hauf beobachten. Egal ob in Schweden, Frankreich oder Deutschland, überall kommen wilde Völker mit der Varroa klar, wenn wir sie nur lassen. 

Hier stellt sich natürlich die Frage. Wenn wir die Biene aus der Imkerei befreien und sie dann in der Natur mit der Varroa klar kommt, ist dann die Varroamilbe das Problem oder die Imkerei? 

Es ist zudem anzumerken, dass selbst, wenn wir in den nächsten Jahren einen Durchbruch in der Zucht verzeichnen können, es nur noch eine Frage der Zeit ist, dass weitere, durchaus gefährlichere Feinde der Bienen Deutschland erreichen. Der Bettenkäufer ist schon in Italien, die kleine assiatische Hornisse in Frankreich und die amerikanische Faulbrut taucht schon jetzt immer wieder in Deutschland auf. 

Sollen wir dann gegen noch all diese Feinde die Bienen medikamentös behandeln und an gleich an mehreren Fronten züchten oder erkennen wir, dass wenn wir uns aus dem Geschehen zurückziehen die Bienen mit ihren Feinden besser klar kommen. 

Genau das hat man übrigens auch bei der Amerikanischen Faulbrut feststellen können. Wilde Völker haben nicht die Probleme, wie ihre gemanagten Nachbarn, nachzulesen hier.
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