Kaum jemandem ist bewusst, dass wildlebende Honigbienen nicht ausgestorben sind. Bei den imkerlich betreuten Völkern richtet die Varroamilbe jedes Jahr enorme Schäden an. Imkerinnen und Imker behandeln deshalb ihre Völker mit Medikamenten, wird eine Behandlung weggelassen sterben die Völker fast immer. Wilde Bienen scheinen deshalb eine fantasiereiche Träumerei zu sein, trotzdem sind sie nicht verschwunden.
Folgender Vergleich scheint hart zu sein und verletzt Imkerinnen und Imker in ihrer Überzeugung bestimmt stark, dennoch könnte der Vergleich die Lage deutlich machen: Nur weil Hauschweine in Massentierhaltung nicht ohne Antibiotika auskommen, heißt es noch lange nicht, dass Wildschweine ohne das Medikament sterben. Wie bei Schweinen gibt es auch bei Honigbienen Massentierhaltung. Die Bienenvölker werden in unnatürlich großen Behausungen gehalten, werden beispielsweise mit Schwarmverhinderungsmaßnahmen manipuliert und werden auf ihre Leistung hin gezüchtet. In der Natur würden sie, wie sie es schon seit Jahrmillionen getan haben, in kleinräumigen, zylinderförmigen, perfekt isolierten Baumhöhlen, weit über dem Boden, mit großem Abstand zum nächsten Volk und frei von Menschen mit Manipulationen und Honigernten leben.
Die Imkerei unterscheidet sich stark und so ist es nicht verwunderlich, dass unsere Bienen, so wie auch die Hausschweine medikamentös abhängig sind. Die Varroamilbe ist nämlich nicht die Ursache, sie ist die Folge und damit ein Indikator schlechter Haltung. Wildlebende Völker kommen mit ihr klar, bei ImkerInnenvölker aber wird sie zum Problem.
Wie überleben wilde Honigbienen?
Viele Menschen haben mittlerweile vergessen, dass Honigbienen Waldbewohner sind. Unter den Bäumen bildet sich ein stabiles Mikroklima, die Völker sind von Wetterextremen, wie Hitze oder Stürme gut geschützt. Bodendecker, Wildblumenwiesen und der Honigtau der Bäume bieten ein reichliches und stetiges Nahrungsangebot. Der wichtigste Punkt aber, weshalb wilde Honigbienen überleben, ist die Baumhöhle.
Sie bietet einen geeigneten Schutz vor Feinden und den klimatischen Bedingungen. Hier finden wir wir Auslöser für natürliche Verhaltensweisen wieder, die in der modernen Imkerei nicht ausgelöst werden würden.
Baumhöhlen:
Seit je und her leben Bienen in Baumhöhlen. Sie haben sich hierauf perfekt angepasst. Im folgendem.
Geringere Volumina:
Baumhöhlen, welche Bienen in der Natur wählen, haben fast immer Volumina von 30-60 Liter. Das Volk bleibt folglich kleiner. Aus der geringeren Brutmenge entwickeln sich kleinere Varroapopulationen, die wenigen Milben werden außerdem vom Bücherskorpion, ein Mitbewohner natürlicher Bienenvölker, dezimiert. Da die Völker den kleinen Raum schnell ausfüllt, schwärmen sie stärker. Die Brutpause sorgt für ein Vermehrungsstopp der Milben. Die Population bleibt kleiner.
Geringer Luftfeuchtigkeit:
Ein weiterer Vorteil ist, dass das Holz die Luftfeuchtigkeit gering hält. Das Stirnholz kompensiert also Schwankungen. Wabenschimmel, der wie für uns Menschen auch für Bienen gesundheitsschädlich, wird damit vermieden. Durch die geringe Luftfeuchtigkeit siedeln sich außerdem natürliche Mitbewohner, wie der Bücherskorpion, an. Dessen Beute ist die Varroamilbe. Ein ausgehungerter Skorpion kann bis zu neun Milben am Tag fressen, in normalen Situationen etwa sechs.
Bessere Isolation:
Durch die hervorragende Isolation der Höhlen müssen weniger Ressourcen für das Heizen aufgewendet werden. Weniger Futter wird verbraucht und weniger Arbeitsbienen müssen heizen. Durch den geringeren Futterverbrauch muss weniger Honig produziert werden. Die zusätzliche Zeit verwenden die Bienen häufig für die Hygiene. Das Grooming, bei dem die Bienen sich gegenseitig putzen, ist verstärkt nur bei nicht bewirtschaftetet Völkern zu beobachten. Bei diesem Verhalten werden Varroamilben erfolgreich von den Körpern der Bienen heruntergeputzt. Aber auch die Varroa Sensitiv Hygiene sorgt für eine Bekämpfung der Milbe. Die Deckel von Brutzellen werden geöffnet, dadurch sterben die jungen Milben ab.
Wie überleben wilde Völker die Varroamilbe?
Wilde Völker sind nicht verschwunden, der Varroa zum Trotz, das zeigen wissenschaftliche Ergebnisse aus aller Welt, doch wie überleben sie die Varroamilbe, die in der Imkerei ohne Behandlungen zum Tod der Völker führt?
Wilde Bienenvölker leben in konstanten kleinen Volumina. In der Imkerei vergrößert sich das Volumen der Völker im Frühjahr und Sommer massiv, so wachsen auch die Völker und die Brutmenge. In einem großen Volk können die Varroamilben riesige Populationen aufbauen, da jede Menge Brut zu Verfügung steht. Wenn im Spätsommer und Herbst dann aber das Volk wieder verkleinert wird bleibt die große Varroapopulation. Es gibt nun aber weniger Bienen und Brut und der Anteil der befallenen Bienen schießt in die Höhe.
In der Natur leben Völker in kleinen (ca. 40 L) und nicht erweiterbaren Baumhöhlen. Das Volk wird nicht so groß und damit bleib auch die Brutmenge kleiner. Die Varroamilbe keinen keine so großen Populationen aufbauen. Stößt das Volk an seine räumlichen Grenzen, schwärmt es. Dabei lässt der Schwarm die belastete Brut zurück und baut ein neues Leben auf. Gleichzeitig herrscht im Muttervolk nach dem Schwärmen eine Brutpause, in der sich die Varroamilben nicht vermehren können.
Da zudem Bienenvölker in der Natur weniger Honig sammeln müssen, da ihnen kein Honig durch den Imker weggenommen wird und sie in den bestens isolierten und dickwandigen Baumhöhlen weniger heizen müssen, also weniger Honig verbrauchen, müssen sie weniger Honig sammeln. Die Bienen arbeiten weniger und müssen deshalb weniger Arbeiterinnen erbrüten. Die Brutmenge bleibt gering und die Varroa kann keine großen Populationen aufbauen.
Es gibt aber auch noch Maßnahmen, mit denen die Bienen ganz aktiv die Varroa bekämpfen. Beim Grooming, dem gegenseitigen Putzen der Bienen, töten die Bienen mit ihren Mandibeln die Milben indem sie ihnen Verletzungen, bis zum rausreißen ganzer Körperteile, hinzufügen. Wilde Völker weisen eine hohe Groomingrate auf, weil sie durch den Wegfall an Arbeit (Weniger Heizen durch isolierte Baumhöhlen + weniger Honig sammeln) mehr Zeit für natürliche Verhaltensweisen haben.
Bei der Varroa Sensitive Hygiene öffnen die Bienen während der Metamorphose, im Stadium der Puppe, die Zellen und inspizieren die Puppen auf Krankheiten. Ist eine Zelle mit Varoroamilben befallen räumen sie die Zelle aus. Manchmal aber öffnen sie auch nur die Zelle, ohne sie genau zu inspizieren. Dies stört die Muttermilbe jedoch in ihrem natürlichen Vermehrungsprozess und sie erzeugt weniger Nachkommen.
Doch warum zeigen die Bienen solche Verhaltensweisen nicht in der Imkerei. Bei uns Menschen müssen sie mehr arbeiten und leben nicht in ihrer ökologischen Nische, in Baumhöhlen, an die sie sich in einer Jahrmillionen langen Evolution angepasst haben. Außerdem hebeln wir in der Imkerei die natürliche Selektion aus, da nun nicht die Natur entscheidet welche Völker sich vermehren, sondern wir Menschen. Wir allerdings selektieren nach menschlichen Bedürfnissen, der Schwarmträgheit, der Honigproduktion und der Sanftmütigkeit.
Auch wenn nun immer mehr Imkereien beginnen die Varroatolleranz in ihre Zucht mit aufzunehmen, wissen wir einfach nicht in welcher Ausprägung und welche Verhaltensweisen genau wie wichtig sind. Wir können einfach nicht alle Kriterien überblicken und verstehen, nach der die Natur selektiert. Außerdem gaben wir den Bienen erst gar nicht die Möglichkeit, im Gegensatz zu den wilden Völkern, sich an die Varroa anzupassen, weil wir den Tod unangepasster Völker durch Behandlungen umgangen. Das unpassende Genmaterial, was nicht mit der Varroa umgehen konnte, wurde nicht aussortiert, während die wenigen Völker, die mit der Varroamilbe klar gekommen wären, keinen Wettbewerbsvorteil besaßen weil alle Völker überlebten.
Umso erfreulicher ist es, dass es die Bienen jenseits der Imkerei geschafft haben eigenständig zu überleben und sich anzupassen. Sie gilt es zu fördern und zu schützen.
Wo leben wilde Völker?
Wilde Population können sich dort am besten etablieren, wo sie ungstört leben können. Ein großer Abstand zu imkerlich betreuten Völkern schützt vor der Übertragung von Krankheiten (siehe Blogbeitrag), ein alter Laubwald bietet den Völkern Baumhöhlen zum Brüten an und der Futterbedarf wird über blühende Wiesen und den Honigtau gedeckt. All das heißt aber nicht, dass sich ver(wilderte) Völker auch zum Beispiel im städtischen Raum etablieren können, sie haben es nur deutlich schwerer und ihr Vorkommen dürfte instabiler sein. Gerne genutzt werden zum Beispiel Mauerspalten oder Hohlräume unter Dächern. In Parks werden die Bäume oft älter als die in den fortswirtschaftlich intensiv genutzten Fichtenmonokulturen und so finden Schwärme hier Baumhöhlen. Das Futterangebot ist zum Teil besser als auf dem landwirtschaftlich genutzten Land, nur die hohe Volksdichte macht den wilden Bienen zu schaffen.
In Großstädten beispielsweise in Berlin beträgt die Bienendichte bis zu 23 Völker pro Quadratkilometer. Aus der Biologie ist ja allgemein beannt, dass eine große Dichte eine schnelle Ausbreitung an Krankheiten begünstigt. Eine Übrpopulation sorgt für eine schnelles Ausbreiten von Krankheiten wo durch nun die Population abnimmt und sich auf ein Normal einpendelt. Da der Mensch in diesen Prozess eingreift und seine Völker vor den regulierenden Krankheiten schützt, bleibt die Überpopulation, die in der Natur niemals Bestand hätte. Die (ver)wilderten Völker jedoch tun sich schwer mit der Überpopulation und ihr Vorkommen bleibt instabil. Dass Honigbienen aber sehr wohl ohne Behandlungen und Futtergaben überleben können, beweisen einige Untersuchungen.
Arnot Forest:
Der Arnot Forest ist ein naturbelassener Wald im Bundesstaat New York. Thomas D. Seeley erforschte in diesem Wald die Population wilder Bienenvölker 1978, also bereits vor der Einschleppung der Varroamilbe. Mithilfe der Bienenjagd entdeckte er 9 wilde Bienenvölker, da er aber nur in einer Hälfte des Arnot Forest gesucht hatte, schätze er die Gesamtpopulation auf etwa 18 Völker. Das ergibt in etwa eine Dichte von ein Volk pro Quadratkilometer. Mitte der 1990er Jahre erreichte die Varroamilbe die Gegend und das Schicksal der wilden Völker im Arnot Forest schien besiegelt, sie würden wohl aussterben. Als ich Thomas Seeley jedoch 2002 noch einmal auf in den Wald machte um seine Vermutung zu überprüfen, stellte er fest, dass noch immer die gleiche Anzahl wilder Völker im Wald lebte. Sie hatten es überlebt! Untersuchungen an der DNA von 1978 und 2002 gesammelten Bienen zeigten, dass nur noch wenige der 1978 lebenden Linien auch noch 2002 existierten. Als die Varroamilbe im Arnot Forest ankam, starb also der Großteil der Völker. Nur wenige waren fit und angepasst genug um die Varroamilbe zu überstehen. Sie vermehrten sich jedoch wieder und gleichten die Verluste aus.
Arnot Forest:
Verluste aus.
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